Artikel vom 27.02.2024
Willkür beim Datenhandel: Was dürfen Adresshändler und Werbetreibende?
Schon wieder Werbung in Mail-Postfach und Briefkasten: Woher hat der bloß meine Adresse? Ganz einfach: Eine ganze Branche verdient an Ihren Daten. Adresshändler machen Infos aller Art zu Geld - von Einkommen über Wohnsituation bis Online-Warenkorb. Erlaubt, sofern sich Adresshandel an geltenden Datenschutz hält. Leider zeigt der aktuelle Datenhandel zwischen Auskunftei Crif und Adressbroker Acxiom: Beim Spagat zwischen Unternehmens- und Verbraucherinteressen gibt es Optimierungsbedarf!
Kreditauskunftei Crif nutzt Daten für Scoring
Wer Verbraucherdaten verarbeitet, hat dies nicht nur zweckgebunden zu tun, sondern auch die betreffenden Verbraucher zu informieren, wer da seine Daten nutzt, entschied jetzt das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA). Schon vor zwei Jahren beschwerte sich der Datenschutzverein Noyb dort über die Geschäftspraktiken der Wirtschaftsauskunftei Crif und des Adresshändlers Acxiom. Nun prüft das BayLDA auch, ob es Auskunfteien überhaupt weiter erlaubt sein soll, Daten bei Adresshändlern zuzukaufen. Was hat Crif mit den personenbezogenen Daten von Millionen Verbrauchern angestellt? Die Wirtschaftsauskunftei zweckentfremdet sie - und nutzt sie für Bonitätsscorings, ohne Wissen der Betroffenen. Ein klarer Verstoß gegen die Zweckbindung gem. Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Denn Acxiom hatte die Daten ausschließlich zu Werbezwecken erhoben.
Werbetreibende fischen in riesigen Adresshändler-Pools
Das BayLDA folgt in seiner Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB). Diese deklarierten heimlichen Datenhandel zwischen Auskunfteien und Adresshändlern - in diesem Fall AZ Direct - bereits als rechtswidrig. Um welche Dimensionen geht es? Werbetreibende, die sich an AZ Direct, Bertelsmann-Tochter und Adress-Gigant, wenden, wählen aus einem Pool aus über 600 Kundenmerkmalen von Alter über Kaufkraft bis zu Daten zum aktuellsten Online-Kauf. In der Datenbank mit über 61 Mio. Einträgen finden sich auch mehr als 30 Mio. Post- und genauso viele E-Mail-Adressen. Alles, was es braucht, damit AZ Direct Verbraucherdaten von Online-Versandhändlern oder Gewinnspiel-Veranstaltern kaufen kann, ist deren Zusicherung: Wir haben diese Datensätze unter Einhaltung datenschutzrechtlicher Regeln gesammelt!
Briefkastenwerbung, dank Deutscher Post und Listenprivileg
Neben AZ Direct beherrschen Adresshändler wie Deutsche Post Direkt den Markt. Wo man damit wirbt, die Konsumvorlieben von über 36 Mio. privaten Haushalten zu kennen - und als Tochter der Deutschen Post AG dank posteigener Anschriftenprüfung stets auf Stand zu sein. Dafür, dass das klappt, sorgt eine Kooperation von Deutscher Post und Bertelsmann, die Kunden gezielt Verbraucher zuführt, die gerade umziehen oder einen neuen Stromversorger suchen. Noch immer verstopft Werbepost unbekannter Firmen nicht nur E-Mail-Accounts, sondern auch Briefkästen. Ist das erlaubt? Ja, dank einer Ausnahme im Datenschutzgesetz, dem Listenprivileg. Unternehmen dürfen personenbezogene Stammdaten von Kunden - wie Name, Anschrift, Geburtsjahr plus ein Marketingkriterium wie Katzenfutter-Käufer oder Campingurlauber - untereinander weiterreichen. Um diese Daten zu nutzen, muss der Werbetreibende im Kleingedruckten ausweisen, wer die Infos erstmalig erhoben hat.
E-Mail-Werbung: Was ist erlaubt?
Strenger geht es beim Thema Werbemails zu: Werbetreibende, die hier unsicher sind, können sich an Anbieter wie z. B. Certified Senders Alliance (CSA) wenden. Diese nehmen Firmen, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen, in Positivlisten auf. Was u. a. verhindert, dass E-Mail-Provider solche Werbung als Spam entsorgen. Als Onlinehändler gehen Sie mit einem großen Datenbudget um? Zu wissen, wie Verbraucherdaten verwendet und weitergegeben werden dürfen, ist unverzichtbar! Rundmails wie Newsletter und Feedbackwünsche sind reine Werbemaßnahmen. Um eine E-Mail-Adresse zu nutzen, braucht es die ausdrückliche Einwilligung - ob Haken im Bestellformular oder Newsletter. Das nennt sich Opt-In bzw. Double-Opt-In: Erst, wenn der Verbraucher auf den Bestätigungslink in der E-Mail klickt, ist die Registrierung in trockenen Tüchern. Bislang ist ein Double-Opt-In aber gesetzlich noch nicht vorgeschrieben. Welche Spielregeln gelten grundsätzlich? Ohne Einwilligung ist E-Mail-Werbung gem. § 7 UWG eine unzumutbare Belästigung - und daher verboten. Erlaubt ist sie nur dann, wenn
- die E-Mail-Adresse aus einem erfolgreichen Geschäftsabschluss stammt
- die E-Mail-Adresse zur Direktwerbung für ähnliche Waren genutzt wird
- der Kunde der Nutzung nicht widersprochen hat
- ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Geschäftsabschluss und Folgewerbung besteht (zwei Jahre und mehr gelten als zu lang)
Was wissen Adressbroker über Sie? Selbstauskunft anfordern!
Verbraucher wiederum sollten den AGB von Geschäftspartnern genaue Aufmerksamkeit gönnen. Weil dort steht, was im Umgang mit den eigenen Daten mit Vertragsabschluss erlaubt ist. Wer zustimmt, seine Daten weiterzugeben, sollte darauf achten, dass er die Kontrolle behält, wer darüber verfügt. Sie stimmen der Datenweitergabe zu Werbezwecken zu? Dann dürfen Ihre Daten - im Rahmen der Vorgaben der DSGVO - gehandelt werden. Was haben welche Adresshändler über Sie gespeichert? Fordern Sie eine Selbstauskunft gem. §34 BDSG an. Auch die Verbraucherzentralen stellen Musterbriefe für den Umgang mit Adresshändlern bereit. Im Anschluss ist es möglich, Daten für bestimmte Nutzer zu sperren.
Handel mit Adressdaten & Co. - warum nicht verboten?
Die Interessenvertretung des Adresshandels, der Deutsche Dialogmarketing-Verband, argumentiert mit dem Servicegedanken: Wer individuelle Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern aufbauen will, muss sich datenbasiertem Dialogmarketing bedienen, um Verbraucher persönlich zu beraten. Kurz, Kundenakquise muss möglich sein, wo Datenschutzvorschriften konsequent eingehalten werden! Oft geschieht dies nicht, wie der heimliche Datenhandel von Crif und Acxiom zeigt, wo man nun die Härte der Datenschutzgesetze spürt. Fremde Daten bei Adressbrokern kaufen? Kann im Zweifelsfall der guten Reputation schaden - als Unternehmer besser vorsichtig sein!