Artikel vom 01.02.2024
Mieterselbstauskunft und Vertragsfreiheit: Wenn Vermieter nach der Gesinnung fragen
Die meisten Vermieter wünschen sich seriöse Mieter, die die Miete pünktlich zahlen. Einige interessierien sich aber nicht nur für deren Bonität, sondern auch für die politische Gesinnung. Wie die Stadt Heilbronn, im Fall eines für März geplanten AfD-Treffens zum EU-Wahlkampfauftakt. Welche Informationen dürfen Sie als Vermieter einholen, welche müssen Sie als potenzieller Mieter offenbaren? Und was hat Vertragsfreiheit damit zu tun?
Heilbronn scheitert bei Mietvertragskündigung
Der Versuch der Heilbronn Marketing GmbH (HMG), einer städtischen Tochtergesellschaft, ein AfD-Treffen zum EU-Wahlkampfauftakt in der Festhalle Harmonie durch Kündigung des Mietvertrags zu verhindern, ist vor Gericht gescheitert. Im Kontext von Mietvertrag und Mieter-Selbstauskunft spielt die Vertragsfreiheit eine entscheidende Rolle. Nicht immer ist die politische Gesinnung von Mietern so transparent wie im aktuellen Fall - und das Thema Selbstauskunft im Spannungsfeld gegenläufiger Interessen angesiedelt: Während Vermieter gern ein Maximum an Informationen wünschen, möchten Mieter ihre intimen Daten schützen. Eine Mieter-Selbstauskunft, ergänzt um eine Schufa-Auskunft zu finanziellem Background, darf nur nach Informationen fragen, die Aussagen zur Zuverlässigkeit des Mietbewerbers machen. Aber stimmt das?
Vertragsfreiheit: Dürfen Vermieter bestimmte Gruppen ausschließen?
Grundsätzlich ist es legitim und nachvollziehbar, aussagekräftige Informationen einzuholen. Aussagekräftig ja, aber zu privat nein: Wer nach Religion, Gesundheitszustand, Vorstrafen, sexueller Orientierung oder Mitgliedschaft im Mieterverein fragt, riskiert Bußgelder. Sie haben als Vermieter das Einverständnis potenzieller Mieter eingeholt, bestimmte Daten wie Parteizugehörigkeit zu erfragen? Dann dürfen diese auf verbotene Fragen lügen - und sich als links, rechts oder Wähler der Mitte ausgeben. Etwas, das zur Vertragsfreiheit von Mietern gehört, wo Vermieter diese missbrauchen, um bestimmte Personengruppen von Vertragsbeziehungen auszuschließen. Die Vertragsfreiheit als Kernprinzip deutschen Rechts wird durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in § 311 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt. Womit die Vertragsfreiheit des einen aufhört, wo die der anderen Partei beginnt, weil Interessen gegen Gesetze oder die guten Sitten verstoßen. Ein Prinzip, das auch den Wettbewerb fördert und es Mietern ermöglicht, das für sie beste Angebot auszuwählen.
Plakate im Treppenhaus - Recht auf Meinungsäußerung?
Vertragsfreiheit im Mietvertragsrecht ist also Verhandlungssache - zwischen Mieter und Vermieter. Vermietern setzt zum Beispiel Mieterschutz gem. §§ 549 f. BGB und das Verbot der Diskriminierung gem. Artikel 3 Abs. 3 S. 1 Grundgesetz (GG) Grenzen. Aber auch gesetzliche Regelungen, die die Interessen der Allgemeinheit schützen, beschränken die Vertragsfreiheit. Was, wenn Vermieter oder Mieter ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen, indem sie ihren Mietern bzw. Nachbarn ihre politische Gesinnung kundtun? Ob Aushänge im Treppenhaus, an den Fenstern zur Straßenseite oder als Briefkastenaufkleber zu dulden sind, müssen die Gerichte klären - in jedem Einzelfall.
Politische Werbung kann Friedenspflicht im Haus stören
Tendenziell zeigen Urteile, dass Mieter Werbung für links- oder rechtsextreme Parteien nicht hinnehmen müssen. Nach Auffassung des Berliner Mietervereins wird hier die Friedenspflicht gegenüber der Hausgemeinschaft verletzt, die Rücksichtnahme auf Glauben, Weltanschauung und politische Überzeugungen verlangt. Mietmieter können vom Vermieter erwarten, den Betreffenden zur Unterlassung aufzufordern. Gesellschaftspolitische Äußerungen wie "Tempo 30 in der City!" zu verbieten, haben eher keine Chance, da sie weder Vermieter noch Mitmieter persönlich angreifen. Üblicherweise erstrecken sich Infos an eine Hausgemeinschaft auf die reine Wohnungsnutzung. Etwa, wenn es Sie stört, dass Kinderwagen Ihren Briefkasten blockieren.
Mobile Beratung Berlin entwirft neue Mietvertragsklauseln
Regus, Vermieter von Büros und Konferenzräumen, möchte Mieter wie das rechtsextreme Internetportal Gegenuni in der Darmstädter Landstraße gern auf die Straße setzen. Aber Klauseln gegen rechts- oder linksextreme Firmen in Gewerbemietverträgen durchzusetzen, erweist sich noch als schwierig. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin hat bereits entsprechende Klauseln als Empfehlungen entwickelt. Demnach sollen potenzielle Vermieter u. a. versichern, dass Mieter von "Ladengeschäften und/oder anderen Räumlichkeiten mit der Möglichkeit zum Warenverkauf" unterschreiben, dass das angebotene Sortiment auf "rechtsextreme, rassistische und antisemitische Inhalte" verzichtet. Wie auf Modemarken wie Thor Steiner, die öffentlich mit Rechtsextremen in Verbindung gebracht werden. Wo Mieter solche Pläne verschweigen, sollen Vermieter den "Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten" können. Weitere Klauseln für Gaststätten, Restaurants und Kneipen sollen die Nutzung für Veranstaltungen verbieten, bei denen "rechtsextremes, rassistisches und anti-semitisches Gedankengut" verbreitet wird. Bei Mieterverstößen soll der Vermieter von seinem Hausrecht Gebrauch und für "Unterbindung der Handlung" sorgen.
Schufa Selbstauskunft generell verbieten?
Auch bei engem Wohnungsmarkt bleibt es Vermietern bislang verboten, die Vermietung von Wohnungen und Gewerberäumen rechtskräftig von der politischen Gesinnung abhängig zu machen - so lange ihre Mieter keine Gesetze brechen. Jeder, Mieter und Vermieter, kann sich dank Vertragsfreiheit seine Vertragspartner frei aussuchen. In diesem Kontext kritisiert die AfD-Fraktion Forderungen der Partei Die Linke, Bonitätsauskünfte durch private Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa-Selbstauskunft bei jeder Art Verbrauchervertrag mit Ausnahme von Krediten bußgeldbewehrt zu verbieten. Trotz Intransparenz und Datenschutzmängeln der Schufa sollte man Vermieter, die sich einer Mieterselbstauskunft bedienten, nicht in ein schlechtes Licht rücken.
Grenzen der Mietvertragsfreiheit ernst nehmen
Fakt ist: Kein Vermieter muss den Leerstand seiner Räumlichkeiten hinnehmen, sondern darf sich im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein umfassendes Bild per Mieterselbstauskunft machen. Und Mieter haben jederzeit das Recht, mittels kostenloser Selbstauskunft zu erfahren, was (Mieter-)Auskunfteien über sie gespeichert haben. Jede Vertragspartei ist gehalten, Vertragsbedingungen und Klauseln sorgfältig zu prüfen, so dass die Interessen beider Seiten ausgewogen berücksichtigt sind. Und ja, als Mietinteressent dürfen Sie auf die Frage nach Ihrer Parteizugehörigkeit lügen. Aber als Anhänger links- oder rechtsextremer Bewegungen nicht verschweigen, dass Sie das inserierte Ladenlokal für politische Versammlungen nutzen wollen. Es sei denn, Sie möchten Anfechtung oder Schadensersatz riskieren. Als Vermieter wiederum sichert Ihnen die Vertragsfreiheit zu: Mieter, die die Mieterselbstauskunft nicht ausfüllen, müssen Sie nicht akzeptieren!