Der freie Onlinedienst zum Thema Selbstauskunft

Artikel vom 19.02.2024

Angezeigt! Verstößt die Schufa Selbstauskunft Praxis gegen die DSGVO?



Das Geschäftsmodell der Schufa: Verbraucher nach Zahlungskräftigkeit zu klassifizieren. Aber verdient Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei auch Millionen damit, dass sie Kunden rechtswidrig manipuliert und bewusst Selbstauskunft-Daten vorenthält? Die europäische NGO Noyb behauptet genau das - und hat jetzt Anzeige gegen die Schufa erstattet.

Anzeige: Schufa liefert nicht alle Daten

Noyb, das Europäische Zentrum für Digitale Rechte mit Sitz in Wien, setzt sich für den Schutz persönlicher Daten ein. Entsprechend flatterte dem Hessischen Landesbeauftragen für Datenschutz, zuständig für die Schufa mit Sitz in Wiesbaden, jetzt eine Beschwerde der Verbraucherschützer auf den Tisch. Noyb kritisiert das Geschäftsgebahren der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, kurz Schufa. Ihr Jurist Max Schrems wirft der Schufa u. a. vor, Verbrauchern, die eine kostenlose Selbstauskunft gem. Art. 15 DSGVO anfordern, einen Teil ihrer Informationen vorzuenthalten.

Schufa Datenkopie: Nur Basisscore statt alle Daten

Jeder EU-Verbraucher hat ein Recht auf kostenlose Selbstauskunft. Aber wer auf der Schufa-Website danach sucht, findet dort nur Hinweise zu einem kostenpflichtigen Angebot - einer kompletten Bonitätsauskunft für derzeit 29,95 Euro. Denn eigentliche Weg zur kostenlosen Selbstauskunft ist gut versteckt. Wer es schafft, Antwort auf sein Auskunftsbegehren gem. Artikel 15(3) DSGVO zu erhalten, wird mit einem kleinen Teil der Daten abgespeist. Verglichen mit der kostenpflichtigen Bonitätsauskunft enthält die - von der Schufa Datenkopie genannte Selbstauskunft - nur den Basisscore anstelle sechs unterschiedlicher Branchenscores. Für Noyb sind aber auch dies personenbezogenen Daten, weil Gegenstand der Verarbeitung. Schließlich hat der EuGH längst festgestellt, dass Verantwortliche eine "originalgetreue und verständliche Reproduktion" aller Daten leisten müssen - gemeinsam mit der verlangten Selbstauskunft im selben Dokument.

Nyob: Schufa nutzt Unwissen Betroffener aus

Damit nicht genug, müssten Verbraucher laut Noyb auf die dort bestellte, kostenlose Selbstauskunft lange warten. Obwohl laut DSGVO Auskünfte nach Artikel 15 unverzüglich zur Verfügung zu stellen sind. Dem steht zwar weder technisch noch organisatorisch viel entgegen, aber Testbestellungen verraten: Die kostenpflichtige Schufa-Bonitätsauskunft war nach wenigen Tagen im Postkasten, die kostenlose Version erst über eine Woche später. Noyb-Jurist Martin Baumann erklärt: Unternehmen sind verpflichtet, sämtliche Daten einfach zugänglich, umgehend, kostenlos und transparent bereitzustellen. Anders die aktuelle Schufa Geschäftspraxis: Dort verkaufe man Verbrauchern auf dem Weg der Bonitätsauskunft unter massiven werblichen Anstrengungen praktisch die eigenen Daten, auf die jeder gesetzlichen Anspruch hat - aber hält dafür andere zurück. Nyob wirft der Schufa vor, Unerfahrenheit, Unwissen und Zwangslagen von Auskunftsersuchenden auszunutzen. Statt ein angemessenes Entgelt iSd Artikel 12(5) DSGVO zu berechnen, betreibe die Wirtschaftsauskunftei entgegen den DSGVO-Grundsätzen ein System der Monetarisierung grundrechtlicher Ansprüche.

Wohnungssuchende mit blumigen Versprechen gelockt

Warum ist es für Bürger so essenziell, an diese Daten zu kommen? Um beispielsweise im hart umkämpften Wohnungsmarkt siegreich zu sein - und seine Bonität erfolgreich nachzuweisen. Der Deutsche Mieterbund beklagt, Mietinteressenten würde praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt, sich vor künftigen Vermietern bonitätsmäßig nackig zu machen. Schufa Auskunft, Mieterselbstauskunft und Mietschuldenfreiheitsbescheinigung gehören, obwohl weiterhin freiwillig, inzwischen zum Standard. Die Schufa wirbt für ihr Bezahlangebot u. a. mit Vorteilen für Wohnungssuchende, während Interessierte den Hinweis auf kostenlose Selbstauskunft auf den Schufa-Websites mit der Lupe suchen müssen. Stattdessen lesen Sie die in blumigen Worten erzählte Erfolgsgeschichte einer Studentin namens Ella W., die ihre eigene Wohnung dank "Schufa-BonitätsAuskunft" bekam.

Suchmaschinen: Wer Auskunft will, endet stets beim Bezahlprodukt

Anscheinend ist die Schufa bestrebt, den datenschutzrechtlichen Legalterminus der "Auskunft" gem. Art. 15 DSGVO - in DSGVO und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einheitlich verwendet - über ihren gesamten Webauftritt im Zusammenhang mit ihrer "BonitätsAuskunft" für sich zu instrumentalisieren. Wer Keywords wie "Auskunft Schufa", "Selbstauskunft Schufa", "kostenlose Auskunft Schufa" oder "kostenlose Datenkopie Schufa" eingibt, sieht stets Bestell- und Werbelinks zur "BonitätsAuskunft". Die verpflichtend kostenlose Auskunft nach Artikel 15 DSGVO jedoch gar nicht! Noyb wirft der Schufa vor, Betroffene durch Suchmaschinenoptimierung gezielt zum Bezahlprodukt zu führen. Wer nach "Auskunft" sucht, findet nur Kostenpflichtiges. Wer die kostenlose Selbstauskunft braucht, muss nach "Datenkopie" suchen. Sie haben endlich die Antragsseite entedeckt? Selbst dort noch macht Ihnen ein Auswahlfeld die kostenpflichtige Bonitätsauskunft schmackhaft.

Kostenlose Selbstauskunft ungeeignet?

Selbst der Chatbot scheint laut Noyb darauf programmiert, auf Bezahlprodukte zu verweisen. Fragen zur Auskunft nach Artikel 15 DSGVO versteht der Chatbot nicht; wer nach "Datenkopie nach Art. 15 DS-GVO" fragt, liest: "Möchten Sie eine Auskunft bestellen?" Kurz, der Vorwurf, die Schufa nutze manipulatives Websitedesign, um ihre Bezahlprodukte durch Irreführung an Mann oder Frau zu bringen, scheint mehr als berechtigt. Wer dennoch das Gratisangebot bestellt, erfährt Erstaunliches: Die kostenlose Selbstauskunft, warnt die Schufa, sei nicht als Bonitätsnachweis gegenüber Dritten geeignet - sondern nur die Schufa Bezahlprodukte. Schlicht falsch, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits urteilte, dass Verbraucher ihre gratis Selbstauskunft beliebig nutzen dürfen.

DSGVO-Selbstauskunft - nur eine Datenkopie?

Präzise Informationsübermittlung nach Recht und Gesetz, die sicherstellt, dass die DSGVO befolgt wird, sieht anders aus! Gem. Artikel 12(2) DSGVO ist eine Auskunftei verpflichtet, Verbrauchern die Ausübung ihrer Rechte erleichtern statt zu verkomplizieren. Dazu zählt auch die Praxis, die kostenlose Selbstauskunft durchgäng sachlich falsch als "Datenkopie" zu bezeichnen, obwohl diese rechtlich weit über eine einfache Kopie hinausgeht. Mit einer Ausnahme: In der offiziellen Schufa-Datenschutzerklärung taucht der Begriff "Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO" auf. Wo lässt sich nun auf der Schufa-Seite kostenlose Selbstauskunft beantragen? Ganz unten, im Footer - aber wieder nur unter dem Terminus "Datenkopie"!

Verstößt das Schufa-System gegen geltendes Datenschutzrecht?

Die Schufa weist die Vorwürfe zurück: Man gehe bei der Erstellung der "Datenkopie" sogar über gesetzliche Ansprüche hinaus! Man darf also gespannt sein, welche Schlüsse der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) ziehen wird. Der Noyb Jurist Max Schrems jedefalls ist kein unbeschriebenes Blatt: Schon zweimal gelang es Schrems, entscheidende Datenabkommen zwischen Europa und den USA zu stoppen. Seine Anzeige fordert den HBDI auf, das Schufa-System der Auskunftserteilung grundsätzlich zu untersuchen. Wird Schrems Antrag auf Lokalaugenschein in den Räumlichkeiten der Auskunftei stattgegeben, dürfte die Schufa schon bald Besuch bekommen.


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