Artikel vom 25.09.2023
Wie flüssig ist der Mietbewerber? Das dürfen Vermieter zu Finanzen fragen
Wer zieht bei mir ein? Vermieter haben ein berechtigtes Interesse daran, dies zu wissen. Vor allem, damit monatliche Mietzahlungen zuverlässig eingehen. Um Informationen zur Einkommenssituation Schwarz auf Weiß zu besitzen, werden Formulare zur Mieterselbstauskunft überreicht. Aber wie umfangreich müssen Mietinteressenten ihre finanzielle Situation belegen? Und welche Budgetfragen gehen Wohnungsanbieter gar nichts an?
Finanzfragen: Was darf der Vermieter wissen?
Es heißt nicht grundlos freiwillige Mieterselbstauskunft: Vermieter haben keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass Wohnungsinteressenten diese Selbstauskunft ausfüllen. Und dort nur Anspruch auf Antworten zu:
- Anzahl einziehender Familien- bzw. Haushaltsangehöriger
- Nettoeinkommen, Gehaltsabrechnungen
- Beruf, Arbeitsverhältnis, Arbeitgeber
- geplanter gewerblicher Wohnungsnutzung
Auch Mietschuldenfreiheitsbescheinigung und Schufa-Selbstauskunft sind freiwillig. Potenzielle Mieter sind weder verpflichtet, diese selbst einzuholen, noch die Einwilligung dazu zu erteilen. Vermieter verlangen letztere, um über durch die Schufa gesammelten Finanzinformationen zu Zahlungshistorie und finanzieller Situation die Bonität von Bewerbern und die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsleistung besser einzuschätzen. Komplett nackig machen muss sich hier kein Bewerber: Nur die Bonitätsauskunft zur Vorlage gegenüber Dritten darf der Vermieter sehen, die eigentliche Schufa Selbstauskunft, die sämtliche gespeicherte Informationen zum Mietbewerber enthält, dagegen nicht. Aber wer Wohnungsanbietern Daten zur Verfügung stellt, erlaubt damit deren Verarbeitung. Weil diese an die Freiwilligkeit gekoppelt und daher nicht verboten ist.
Auskunftspflicht: Das müssen Sie dem Vermieter unaufgefordert sagen
Allerdings gibt es Auskunftspflichten, denen Mietbewerber vor Vertragsschluss von sich aus, sprich unaufgefordert, nachkommen müssen. Z. B., ob Miete oder Kaution vom Jobcenter bezahlt werden. Wozu? Tritt der Fall ein, dass das Jobcenter dem Mieter das Bürgergeld massiv kürzt, weil dieser Auflagen nicht erfüllt, schadet der Einschnitt ins Mieterportemonnaie ggf. auch dem Vermieter. Die Miete, die Sie für Ihre neue Wohnung zahlen sollen, beträgt mehr als 75 Prozent Ihres Nettoeinkommens? Auch das interessiert Ihren künftigen Vermieter mit Recht! Über ein eröffnetes Insolvenzverfahren, ein laufendes Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft (eidesstattliche Versicherung, früher Offenbarungseid) sowie bestehende Mietschulden ist der Vermieter eigeninitiativ zu informieren. Die Pfändung Ihres Arbeitseinkommens oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dürften für Ihren neuen Hauswirt ebenfalls von Interesse sein.
Blick ins Mieterbudget: Wo hört das Fragerecht auf?
Die Erhebung allgemeiner Informationen zur Bonität sind aus wirtschaftlicher Sicht legitim. Wer die Mieterselbstauskunft ausfüllt, legt eine Vertrauensbasis für das künftige Mietverhältnis. Doch der Grad zwischen Mieter- und Vermieterinteresse ist schmal: Wo die Interessen möglicher Mieter nicht mehr gewahrt sind, weil die vermieterliche Neugierde die Grenzen des Erlaubten überschreitet, hört die Offenherzigkeit auf. Auch beim Umfang der Belege der finanziellen Situation! Nur Fragen, die das künftige Mietverhältnis unmittelbar betreffen, erfüllen die Forderung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nach Datenminimierung. Sprich, es sind so wenige Daten wie möglich abzufragen. Sie werden um die Mietschuldenfreiheitsbescheinigung Ihres letzten Vermieters gebeten? Gern - dort steht: Keine Mietschulden! Wann die Miete jeweils einging, ob pünktlich am Ersten oder erst zur Monatsmitte, geht den neuen Vermieter nichts an. Und greift auch nicht als Argument, falls Sie später mit der Miete in Verzug sind. Auch nicht, dass Sie sich bei einem Rechtsstreit darüber unterstützen lassen, weil Sie eine Rechtsschutzversicherung haben oder Mitglied im Mieterbund sind.
Vorstrafen, Behinderung, Kinderwunsch? Wirtschaftlich interessant, aber tabu
Gern stecken Vermieter ihre Nase in die Privatsphäre, obwohl spezielle Kategorien personenbezogener Daten regelmäßig tabu sind, weil gem. Artikel 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein allgemeines Verarbeitungsverbot dafür gilt. Überwiegt Ihr schutzwürdiges Interesse, dürfen Sie bei der Beantwortung lügen. Migrationshintergrund? Auch wenn die Zahl arbeitsloser Migranten nicht gering ist, ist Ihr Migrantenstatus kein Argument, dass es Sie ebenfalls trifft. Die Frage nach sensiblen Daten wie Gesundheit, rechtlicher Betreuung oder Behinderung, um Schlüsse auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu ziehen, ist ebenfalls nicht erlaubt. Mietinteressentinnen nach Familienplanung, Kinderwunsch und Schwangerschaft fragen, um den Umfang potenzieller Erwerbsfähigkeit abzuklopfen? Aber ich bitte Sie ... Dagegen ist es berechtigt, nach Anzahl und Alter der einziehenden Personen zu fragen - schließlich verursachen diese Nebenkosten wie Wasserverbrauch. Welches Einkommen Sohn oder miteinziehende Oma haben, müssen Sie jedoch nicht verraten. Und wer will schon einen Mieter mit Vorstrafen, der Hab und Gut mitgehen lässt? Hier gelten nur Vorstrafen im Zusammenhang mit einem früheren Mietverhältnis als relevant.
Was droht bei Lügen in der Selbstauskunft?
Jeder Vermieter sollte vor Mietvertragsschluss prüfen, ob der Mieter finanziell in der Lage ist, den Mietzins zu zahlen. Wer berechtigte Fragen zur finanziellen Situation nicht wahrheitsgemäß beantwortet bzw. seine Aufklärungspflicht verletzt, riskiert die fristlose Kündigung, falls der Vermieter später davon erfährt - auch noch Jahre später. Der Vermieter kann den Mietvertrag anfechten sowie Schadenersatz verlangen. Auch zuverlässige Mietzahlung schützt Lügner nicht, da die Gefahr finanziellen Ausfalls weiter besteht - und kein Vermieter erst abwarten muss, dass ihm ein Schaden entsteht. Hätte der Bewerber in der Selbstauskunft wahrheitsgemäß zugegeben, dass er pleite ist, hätte der Vermieter den Mietvertrag kaum geschlossen. So jedoch kann dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden: Nach der Täuschung über die Vermögensverhältnisse ist das Vertrauen weg!
Übergriffige Fragen? Damit müssen Vermieter rechnen
Vermieterfragen, die das Mietverhältnis betreffen, sind erlaubt. Zum Glück sind Datenschutz und Rechtsprechung im konkreten Fall nicht so schwammig. Heißt: Vermieter sollten vor Vermietung immer darauf achten, dass ihr Mieter wirtschaftlich in geordneten Verhältnissen lebt. Juristen sind da eindeutig: Die Kenntnis der vom Vermieter erfragten Umstände muss für dessen Entscheidung, ob und mit welchem Inhalt er den Mietvertrag schließt, objektiv wesentlich sein. Nur Fragen, die die schutzwürdigen Belange des Mieters berücksichtigen, sind zulässig. Seit 25. Mai 2018 ist die DSGVO auch für Mietverhältnisse verbindlich. Vermieter, die dagegen verstoßen, müssen seither mit verschärften Sanktionen rechnen - egal, ob sie Daten bereits verbotswidrig verarbeiten oder ihr Formular zur Mieterselbstauskunft diese Absicht erkennen lässt. Sie suchen eine Wohnung und vermuten konkrete Datenschutzverstöße? Der zuständige Datenschutzbeauftragte Ihres Vermieters bzw. der Datenschutzbeauftragte Ihres Bundeslandes sind verpflichtet, Ihren Hinweisen nachzugehen.