Artikel vom 02.05.2024
Vorsicht, Kaufnomaden! Erst Bonität prüfen, dann das Haus verkaufen
Immobilie flüssig machen, in die Südsee ziehen! So der Plan eines Paares aus Groß-Gerau. Aber der Traum platzte: Kaufnomaden nisteten sich nach Art von Mietbetrügern im Haus ein. Wie konnte das passieren? Die Hausbesitzerin hatte in gutem Glauben auf eine Bonitätsprüfung beim Hausverkauf verzichtet. Fatal: Nur wer wichtige Eckdaten besitzt, erkennt, ob ein Kaufinteressent flüssig ist - und kann sein Ausfallrisiko minimieren.
Besitzer lassen Käuferin aus Mitleid ins Haus
Nun musste sich das Landgericht Darmstadt mit den Kaufnomaden in Groß-Gerau, Rhein-Main-Gebiet, beschäftigen. Zuvor waren die Besitzer monatelang gezwungen, ihr Heim unfreiwillig mit einer fremden Familie zu teilen. Und das kam so: Auf das Bungalow-Inserat meldete sich im Sommer 2022 eine sympathische Käuferin und angebliche Millionenerbin, die den verlangten Preis zahlen wollte. Aus Mitleid mit der Interessentin ließ man die Mutter von zwei Kindern nebst Partner und diversen Haustieren schon einziehen - bevor die Kaufsumme auf dem Konto war. Lärm, Müll, Gestank, die Polizei rückte an. U. a. hatte die vermeintliche Käuferin versucht, Schlösser zum Wohnbereich des Paares aufzubrechen.
Wer im Haus ist, ist Besitzer?
Fast jeder weiß, was Mietnomaden sind. Das Kaufnomaden-Phänomen ist noch neu. Kommt das Geld nicht, sind die Betrüger erfindungsreich: Sorry, mein Konto wurde eingefroren, die Gelder sind auf falsche Konten gegangen. Oder es werden gefälschte Kontoauszüge vorgelegt. Im aktuellen Fall stellte sich heraus, die Kaufnomadin war kein unbeschriebenes Blatt. Sondern bereits pfandlos - es liefen mehrere Vollstreckungsverfahren gegen sie. Warum konnten die Hauseigentümer die Kaufnomaden nicht einfach raussetzen? Weil man sie aufgrund der Kaufabsicht ins Haus gelassen hatte - und ihnen damit schon vor Eigentumsübertragung ein Besitzrecht eingeräumt hatte.
Falle! Verkäuferin ging in ungesicherte Vorleistung
Glücklich, wer den Unterschied zwischen Besitzer und Eigentümer kennt! Es ist wie beim Mietwagen: Ich werde dessen Besitzer, aber das Auto gehört mir für die Zeit der Überlassung nicht. Damit ein Kaufnomade kein Besitzer bleibt, ist der Kaufvertrag aufzulösen - durch Rücktritt oder Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, vor Gericht. Aussichtsreich, wenn sich zeigt, dass ein Interessent nie die Absicht hatte, die Immobilie zu bezahlen. Richtig ist, zu vereinbaren, dass der Besitz erst mit Wirkung vom Tage der Kaufpreiszahlung auf den Käufer übergeht. Das Paar aus Groß-Gerau ging aber in folgende Falle: Sie übergaben Besitz bzw. Eigentum vor Erhalt des Kaufpreises - und gingen damit eine ungesicherte Vorleistung ein. Was heißt, dass ein säumiger Käufer erstmal bleiben darf.
Alles auf Anfang! Wenn die Finanzierung platzt
Notartermin, alles scheint geritzt, dann platzt die Finanzierung, der Kaufvertrag muss rückabgewickelt werden. Ist die Auflassungsvormerkung (die verhindert, dass eine Immobilie mehrfach verkauft werden kann) als Reservierung im Grundbuch eingetragen, ist diese bei Rückabwicklung wegen Nichtzahlung wieder zu löschen. Erst dann dürfen Sie das Haus an jemand anderen verkaufen. Auch an dieser Stelle halten Betrüger gern die Hand auf: Geld her, sonst wird es nichts mit deiner Löschung! So lange Sie als Verkäufer unsicher sind, ob die Finanzierung gesichert ist, sollten Sie Ihr Immobilienangebot weiter im Netz stehen lassen. Denn nach offiziellem Handschlag sind die früheren Interessenten weg - oder skeptisch, ob mit der Immobilie etwas nicht stimmt.
Haus bar oder in Raten zahlen? Vorsicht ...
Achtung auch, wenn ein Käufer Barzahlung ankündigt: So können Sie keine verlässlichen Angaben checken oder sogar Opfer von Geldwäsche werden. Vorsicht ist auch geboten, wo der Käufer in Raten zahlen will. Denn dies geschieht aus dem eigenem Vermögen statt in einer Summe über die Bank. Mit einem Notaranderkonto gehen Sie auf Nummer sicher: Der Notar überträgt hier die Immobilie erst an den Interessenten, wenn der Kaufpreis komplett auf dem Konto ist. Handeln Sie besser richtig, bevor es Probleme gibt - durch professionelle Bonitätsprüfung.
Prüfen Makler oder Notar die Bonität automatisch?
Nein, sie müssen nur beraten und den Verkauf abwickeln. Eine Überprüfung muss im Vertrag stehen. Das Landgericht Bremen stellte klar, das es dann nicht genügt, wenn sich der Makler einen Kontoauszug vorlegen lässt. Vielmehr sei die Bonität durch Einholen einer Selbstauskunft bei einer Wirtschaftsauskunftei zu überprüfen. Um zu ermitteln: Bekommt der Käufer ein Darlehen? Ist er zahlungswillig und zuverlässig? Und kann er sich Kaufpreis und Nebenkosten leisten? Denn für Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer müssen beide Parteien aufkommen. Zahlt der Käufer seinen Teil nicht, hält sich das Finanzamt an den Verkäufer, der wiederum die Steuer beim Käufer eintreiben muss.
Erfahren, wie liquide Ihr Käufer ist
Zur Prüfung können Sie auch die Finanzierungszusage der Bank des Käufers heranziehen: Der Kredit sollte ausdrücklich der Finanzierung der Immobilie dienen. Sie möchten die Bonität prüfen lassen und Informationen bei Auskunfteien wie Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung), Creditreform oder Bürgel einholen? Nicht ganz einfach, denn aus Datenschutz-Gründen können Sie als Immobilienverkäufer nur bei zahlungspflichtiger Mitgliedschaft und berechtigtem Interesse gem. § 29 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die Selbstauskunft des Käufers verlangen. Was tun? Clevere Verkäufer knüpfen diese Selbstauskunft an den Vertragsabschluss.
Kaufvertrag nur bei Selbstauskunft!
Die Abfrage von Daten direkt beim Interessenten, schon bei der Kontaktaufnahme, ist die beste Wahl - mit persönlichen Daten des Kaufinteressenten, Score-Werten und positiven bzw. negativen Einträge zum Zahlungsverhalten. Wer die Infos bis zur Preisverhandlung nicht vorlegt, hat Pech gehabt! Ähnlich wie bei der Vermietung einer Wohnung: keine Selbstauskunft, keine Chance auf das Haus! Neben der Schufa Selbstauskunft sind für Sie auch noch Einkommensnachweise bzw. bei Selbstständigen die BWA des Steuerberaters sowie Vermögensnachweise wie Konto- oder Depotauszüge interessant.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
Sind Kaufnomaden einmal drin, hilft nur noch eine Räumungsklage. Allerdings können sich die Betrüger auf soziale Härten berufen, weil sie keine andere Bleibe finden. Im aktuellen Fall sorgte der Anwalt für die Rückabwicklung des Kaufvertrages, aber die Betroffenen mussten noch ganze fünf Monate bis zum Gerichtstermin warten. Erst als der Spiegel berichtete, kamen Veterinäramt, Jugendamt und Polizei wegen der unhaltbaren Zustände in die Gänge. Jetzt gehört das Haus wieder offiziell seiner Besitzerin. Fazit: Um nicht durch Kaufnomaden abgezockt zu werden, die Ihre Immobilie in Besitz nehmen, aber nie den Kaufpreis zahlen, gilt grundsätzlich: Erst das Geld, dann der Schlüssel!