Artikel vom 23.05.2024
Datenschutz: BDSG Novelle beim Schufa-Scoring - Fluch oder Segen?
Verbraucherschützer kritisieren die Geschäftspraktiken von Auskunfteien wie Schufa oder Infoscore seit langem: Wer einen Handyvertrag oder einen Kredit bekommt, entscheidet die Bonitätseinstufung dieser privatwirtschaftlichen Firmen. Jetzt soll eine Novelle des BDSG den Datenschutz im Bereich Scoring verschärfen. Was soll sich ändern?
Schufa verspricht Score-Makeover
Neue Auflagen für Auskunfteien sollen Verbesserungen bringen. Die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sieht vor, dass bei Bonitätsprüfungen künftig auf weniger Daten zurückgegriffen werden darf - und das Scoring selbst transparenter wird. Gleichzeitig kündigt die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) für den Herbst 2024 eine neue, transparentere Version des Schufa-Scores an, Abbild der Verbraucherbonität in Prozent, von 0 bis 100.
Datenschutzkonferenz bleibt zahnloser Tiger
Geplant ist außerdem, die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) via § 16 a BDSG zu institutionalisieren. Was jedoch nur bedeutet, dass Unternehmen über Bundesländergrenzen hinweg eindeutigere Ansprechpartner erhalten. Die Beschlüsse der DSK bleiben weiterhin rechtlich unverbindlich; im dies zu ändern, braucht es eine Grundgesetzänderung. Stillstand, den der Nationale Normenkontrollrat bemängelt. Und die CDU kritisiert, die Chance einer grundlegenden Reform sei verpasst worden. Dort fordert man, deutschen Datenschutz auf das zu begrenzen, was europarechtlich Mindeststandard ist - und möchte die Befugnisse des Bundesdatenschutzbeauftragten gestärkt sehen.
Bonität berechnen: Adressdaten künftig tabu
Bundesinnenministerin Faeser und Verbraucherschutzministerin Lemke legten einen BDSG-Regierungsentwurf vor, der das Scoring neu regeln soll. Umstrittene Datenkategorien sollen bei der Bonitätsberechnung künftig ausgeschlossen sein. Dabei handelt es sich um Datenmaterial aus Social Media sowie um Adressdaten. Gerade Letzteres klingt erstmal vielversprechend: Warum soll es als zahlungskräftiger Vertragspartner mein Schaden sein, wenn mein Einfamilienhaus im sozialen Brennpunkt steht? Schufa-Konkurrenz wie Crif, Boniversum und Infoscore sehen schon jetzt ihre Felle davonschwimmen - weil Adressdaten einen großen Batzen ihres Datenpools ausmachen.
Mehr Schufa-Marktmacht, Fintechs sauer
Anders bei der Schufa, die Adressdaten nach eigenen Angaben nur in wenigen Ausnahmefällen nutzt. Aber womit arbeitet und rechnet Deutschlands mächtigste Auskunftei dann? Banken und Sparkassen besitzen nicht nur aussagestarke Verbraucherdaten, sondern auch maßgebliche Anteile an der Schufa. Die Novelle des BDSG könnte also die Marktmacht der Schufa weiter stärken. Auch Fintechs und Zahlungsanbieter sind verschnupft: So kritisiert Klarna einen Passus im Gesetz, der zur Einschränkung oder gar einem Verbot der Kreditwürdigkeitsprüfung führen könne. Gem. § 37 a, der das Scoring regelt, sollen Firmen die Ausfallwahrscheinlichkeit von Kunden nur dann noch automatisiert berechnen dürfen, wenn sie auf Einblicke ins Bankkonto verzichten. Klarna führt an, dass es Verbaucher so demnächst schwerer haben könnten, auf Raten oder per Rechnung zu kaufen.
Riegel vor: Kein Einblick in Kontobewegungen mehr?
Aber der Sneak-Peek auf Kontostand und Zahlungsbewegungen ist noch untersagt? Richtig, aber keine Regel ohne Ausnahme: Beim Kreditscoring mit Open-Banking-Daten stimmen Kunden, die z. B. einen Kredit über die Smava-Plattform wünschen, dem Blick aufs Konto zu. Wie sah das Zahlungsverhalten in den letzten drei Monaten aus? Was ging regelmäßig auf dem Konto ein, was drückte den Kontostand ins Soll? Ohne diese Informationen haben Open-Banking-Fintechs wenig zur Score-Berechnung in der Hand, was das gängige Geschäftsmodell bedroht. Laut Lobbyverband Bitkom legten einige Formulierungen im Gesetzestext nahe, die Verarbeitung von Adress- und Bankdaten sei künftig nicht einmal mehr zur Betrugs- und Geldwäscheprävention erlaubt.
Wissenschaftlichkeit: Schufa sucht Gutachter selbst aus - noch
Des Weiteren tüftelt die Regierung an Maßnahmen über die Gesetzenovelle hinaus. Ziel: Die Datenqualität sicherer machen. Dazu schwebt der SPD z. B. die Einführung unabhängiger Zertifizierungen für Verbraucherbewertungen vor. Auch die bisherige Praxis von Schufa & Co., die wissenschaftliche Fundiertheit ihrer Berechnungsverfahren durch selbstausgesuchte Gutachter bestätigen zu lassen, könnte auf den Prüfstand kommen. Bisher reichte die Vorlage der Gutachten bei der zuständigen Landesdatenschutzbehörde. Hinter verschlossenen Türen, versteht sich. Denn für Ottonormalverbraucher bleibt das Prozedere weiter im Dunkeln - psst, Geschäftsgeheimnis ...