Artikel vom 13.07.2022
Steigende Strompreise: Anbieterwechsel trotz Stromsperre und schlechter Schufa?
Job weg, Krankheit, persönliche Krisen - so mancher rutscht schneller als gedacht ins Minus. Kommen auch noch steigende Stromkosten hinzu, beginnt die Suche nach einem neuen, günstigeren Stromtarif. Nicht nur im Brandenburger Bad Belzig, wo sich der Geschäftsführer der Stadtwerke höchstpersönlich an der Strombörse verspekuliert hat. Doch geht das auch bei schlechter Schufa - und darf der Strom einfach so gesperrt werden?
Stadtwerke-Chef wettet auf Strompreise
Die Stadtwerke von Bad Belzig, Brandenburg, sind insolvent. Verantwortlich ist der Geschäftsführer persönlich: Hüseyin Evelek hatte an der Europäischen Energiebörse (EEX) auf fallende Strompreise gewettet - Schaden über 22 Millionen Euro. Evelek hatte Strom zum niedrigen Festpreis mit Liefergarantie verkauft. Aber angesichts steigender Strompreise geriet das kommunale Unternehmen in die Klemme, Strom teuer einzukaufen - ein Verlustgeschäft. Dass der Fall nun die Staatsanwaltschaft Potsdam beschäftigt, nützt den Kunden der Stadtwerke aktuell wenig: Sie sind die Gekniffenen. Viele müssen jetzt mehrere hundert Euro monatlich mehr zahlen - für etliche kaum zu stemmen.
Stromanbieter wechseln, trotz negativer Schufa?
Es geht Ihnen ähnlich? Aber Sie sehen kaum Chancen auf einen neuen Stromvertrag, weil Ihre Bonität zu schlecht ist? Trotzdem gibt es Wege, vom meist teuren Grundversorger Stadtwerke auf einen anderen Stromanbieter zu wechseln und zu sparen. Holen Sie als erstes eine Schufa Selbstauskunft ein, um sich einen Überblick über Ihre Bonität zu verschaffen. Dies ist kostenlos mindestens einmal jährlich bei der Schufa möglich. Welche Einträge finden sich hier zu Ihrem Nachteil, die Ihren Schufa-Score drücken? Oft stecken auch fehlerhafte oder veraltete Daten in dieser Selbstauskunft. Solche Einträge sollten Sie entfernen lassen. Ansonsten muss die Schufa die Mehrzahl der Einträge ohnehin nach Ablauf von drei Jahren taggenau löschen. Ein Negativeintrag wird laut Selbstauskunft in wenigen Wochen sowieso gelöscht? Warten Sie mit Ihrem Antrag einfach noch.
Viele Anträge einreichen, Vorkasse, Kaution
Was, wenn ich Anträge an zahlreiche Energieversorger schicke - ist das nicht schlecht für meine Schufa? Nein, denn anders als bei Kreditanträgen weiß hier der jeweilige Adressat nicht, dass und wo Sie noch Anträge gestellt haben. Außerdem holt nicht jeder Stromanbieter Bonitätsauskünfte aller Antragsteller ein - jede Auskunft verursacht Kosten. Und ergibt eine Auskunft negative Einträge, schließen viele Unternehmen trotzdem den gewünschten Stromvertrag. Sie bekommen nur Absagen? Manchmal bringt der persönliche Kontakt zum Stromanbieter den Erfolg: Rufen Sie dort an und schildern Sie Ihre Situation. Bietet man Ihnen keinen normalen Stromvertrag an, können Sie sich auch auf Vorkasse oder Kaution einigen. Bei Vorkasse zahlen Sie Ihren geschätzten Verbrauch für zwölf Monate im Vorab. Für Energieversorger ein gutes Geschäft - und für Sie als Verbraucher eventuell auch, da Ihr Anbieter kein Ausfallrisiko auf den Strompreis aufschlägt. Achten Sie bei solchen Vereinbarungen aber auf
- Mindestvertragslaufzeit
- Verfügbarkeit
- Kündigungsfristen
- Preis pro Kilowattstunde
- Preisgarantien
Achtung: Geht ein Stromanbieter in die Insolvenz, ist die gezahlte Vorleistung weg. Ist ein Stromvertrag mit Kaution ein Alternative für Sie? Hier hinterlegen Sie eine einmalige Kaution, an der sich der Energieversorger bedienen kann, sollten Sie mit der Stromrechnung in Verzug geraten. Nachteil: Eine Kaution bringt Ihnen keine Zinsen.
Wenn die Stromsperre da ist
Plötzlich ist alles dunkel. Ein Horrorszenario, das in Deutschland bisher gesetzlich ausgeschlossen war, denn der Anspruch auf Stromversorgung durch einen kommunalen Grundversorger ist garantiert - ohne Bonitätsprüfung. Schwieriger wird es für Sie, wenn Ihnen bereits der Strom gesperrt wurde. Ein Grundversorger darf dies, wenn Sie 100 oder mehr Euro im Rückstand sind und Sie über die Sperrung wenigstens vier Wochen vor Sperrtermin informiert - und noch einmal drei Tage zuvor erinnert wurden. Ist der Strom abgestellt, können Sie den Anbieter nicht mehr wechseln: Die Stadtwerke plombieren den Zähler - und melden die Sperre der Bundesnetzagentur.
Keine Strom und Gassperre bei steigenden Strompreisen?
Die Ministerin für Verbraucherschutz Steffi Lemke (Grüne) will Verbraucher vor ebensolchen Stromsperren geschützt sehen. Denn im Krisenfall dürfen Energieversorger - trotz Preisgarantie - Preissteigerungen an ihre Kunden weitergeben. Lemke fordert ein Moratorium für Strom- und Gassperren: Denn niemand, der mit Zahlungen in Verzug ist, sollte in schwieriger wirtschaftlicher Situation ohne Strom oder Gas sein!