Artikel vom 24.08.2020
Insolvenzrecht: Trotz Restschuldbefreiung weiter in der Schufa? Das bringt die Reform
Endlich! Ist das Insolvenzverfahren erfolgreich durchlaufen, herrscht bei den Betroffenen große Erleichterung - bisher. Jetzt hat das Kabinett beschlossen, insolvente Verbraucher zügiger, sprich, schon nach drei statt sechs Jahren von ihrer Restschuld zu befreien. Klingt gut, aber der Teufel steckt - wie so oft - im Detail ...
Negative Schufa trotz Verfahrensende
Wurden negative Schufa-Einträge bisher mit Verfahrensende gelöscht, sollen diese künftig länger bestehen. Eine negative Schufa erschwert den Alltag auch nach der Privatinsolvenz weiter: Von Wohnungssuche bis Mobilfunkvertrag, die Hürden bleiben zunächst - Neustart Fehlanzeige! Wozu hart für Schuldenfreiheit strampeln, wenn der Anreiz, in weißer Weste dazustehen, so gut wie entfällt? Sie sind Unternehmer bzw. selbstständig? Für diesen Personenkreis gilt die neue Regelung nicht.
Schuldenfrei nach drei Jahren: Bisherige Sonderregelung gekippt
Künftig soll das Verfahren von sechs auf drei Jahre verkürzt werden. Dies war bisher nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Schuldner sämtliche Verfahrenskosten sowie mindestens 35 Prozent der Forderungen getilgt hatte. Diese Alternative, welche besonders rückzahlungseifrige Schuldner belohnt, soll nun abgeschafft werden. In der Konsequenz heißt das: Alle, die bereits schon nach drei statt nach sechs Jahren schuldenfrei sind, tragen den Makel der Insolvenz für weitere drei Jahre - in Form negativer Schufa. Für manche Rechtsexperten nicht nachvollziehbar: Schließlich profilieren sich gerade deutsche Schuldner mit guter (Ab-)Zahlungsmoral, sogar unter erschwerten Corona- und Kurzarbeitsbedingungen. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform kann ebenfalls nicht erkennen, dass Corona die Zahl an Privatinsolvenzen in die Höhe treibt. Im Gegenteil: Diese seien im ersten Halbjahr 2020 sogar um 6,4 Prozent zurückgegangen. Und wer, wenn nicht die Creditreform, weiß, dass der Weg der Privatinsolvenz für überschuldete Haushalte alles andere als ein Spaziergang ist!
Restschuldbefreiung muss generell den Gläübigerinteressen dienen
Die neue Verkürzung der Verfahrensdauer ist für alle ab 1. Oktober beantragten Insolvenzverfahren geplant - aber zunächst als Modell bis zum 30.06.2025 befristet. Und wer glaubt, die neue Verkürzung sei an keine weiteren Bedingungen mehr geknüpft, irrt: In § 295 InsO wird eine neue Pflicht für Schuldner eingeführt: Wer unangemessene Verbindlichkeiten gem. § 290 I Nr. 4 InsO begründet, sprich, neue Schulden macht, begeht eine Obliegenheitsverletzung. Damit kann die Restschuldbefreiung versagt werden. War eine Versagung bisher nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers möglich, der die Prüfung von Amts wegen erforderte, steht ab 1. Oktober im Vordergrund: Was dient den Interessen der Insolvenzgläubiger? Dazu kann im übrigen auch ein Lottogewinn gehören: Besser nicht ins Wettbüro, denn solche Beträge sind auch noch in der Wohlverhaltensperiode an den Treuhänder weiterzureichen.
Kritik: Reform bestraft Zahlungswillige, statt sie zu belohnen
Antrag auf Privatinsolvenz schon eingereicht? Falls Sie es sich jetzt angesichts der Gesetzesnovelle noch anders überlegen möchten: So lange der Eröffnungsbeschluss noch nicht zugegangen ist, kann der Antrag zurückgenommen werden. Was bringt diese Reform des Insolvenzrechts langfristig? Einige Experten wie die Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz des Deutschen Anwaltvereins fordern, die so genannte Wohlverhaltensperiode von drei Jahren auf ein einziges Jahr zu verkürzen. Dabei monieren die Kritiker vor allem, dass die Reform dem Sinn des Gesetzes zuwiderläuft - ursprünglich geschaffen, dafür zu sorgen, dass ehemalige Schuldner schnell wieder am Wirtschaftsleben teilhaben.