Artikel vom 31.08.2022
Informationelle Selbstbestimmung, detailgenau gedacht! BGH stärkt Auskunftsrechte
Immer wieder erreichen Rechtsstreitigkeiten im Kontext von §34 BDSG und Art. 15 DSGVO schließlich den Bundesgerichtshof.
Oft stärkt der BGH die Rechtposition betroffener Verbraucher, die Selbstauskunft fordern - und fällt dabei auch Grundsatzurteile im kleinsten Detail. Adressaten solcher Auskunftsverlangen von Vermieter bis Versicherung müssen erkennen: Gespeicherte Informationen korrekt aufzubereiten ist durchaus kein Kinderspiel.
Wer hat das gesagt? Wenn Nachbarn sich gegenseitig anschwärzen
Im Februar entschied der BGH: Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO kann auch die Namen von Tippgebern umfassen, die jemanden anschwärzen (Az. VI ZR 14/21). Im vorliegenden Fall hatte ein Mieter von seinem DSGVO-Auskunftsanspruch gegenüber seiner Vermieterin Gebrauch gemacht. Diese hatte den Mieter kontaktiert, weil sich jemand über Gestank und Ungeziefer im Treppenhaus beschwert hatte. Worauf der Mieter erfahren wollte, wer der Tippgeber der Beschwerde war. Dies lehnte die Vermieterin mit Hinweis auf die schutzwürdigen Interessen des Hinweisgebers ab. Rechtswidrig, so der BGH, denn Interessen beider Seiten seien umfangreich abzuwägen. Betroffene müssen sich der Verarbeitung der Daten, die sie betreffen, nicht nur bewusst sein, sondern auch deren Rechtmäßigkeit überprüfen können. Ein Mieter müsse sich versichern können, dass diese richtig sind und auf zulässige Art verarbeitet werden. Das Recht auf Selbstauskunft gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO soll es Betroffenen ermöglichen, die Berichtigung oder Löschung von Daten zu fordern.
Vermieterin muss Ross und Reiter nennen: Rechte des Tippgebers nicht gefährdet
Allein die Tatsache, dass die Vermieterin dem Tippgeber Vertraulichkeit zugesichert habe, gäbe dieser nicht das Recht, dem Mieter als Auskunftsersuchenden die gewünschte Information zu verweigern. Die entsprechende Beweislast trage der, der auf Auskunft in Anspruch genommen werde. Hier die Vermieterin, die sich dazu jedoch nicht auf reine Vermutungen stützen dürfe. Sondern nachvollziehbare Fakten benennen müsse, warum das Interesse des Tippgebers an seiner Geheimhaltung Vorrang gegenüber dem Interesse des Mieters habe. Die Vermieterin hätte den Namen des Hinweisgebers also nennen müssen! Die Begründung: Rechte und Freiheiten des Tippgebers würden durch die verlangte Auskunft, woher die verarbeiteten Daten zu Ungeziefer und Geruchsbelästigung stammten, nicht beeinträchtigt. Vielmehr sei dessen Identität offenzulegen, um das berechtigte Interesse des Klägers auf Auskunftserteilung gem. Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 lit. g DSGVO zu wahren. Das vorherige Argument des Berufungsgerichts, die Hausverwaltung können sich auf eine sachgerechte, effektive Aufgabenerfüllung berufen, um Ordnung und Frieden in der Hausgemeinschaft zu bewahren, ließ der BGH nicht gelten.
Geheimhaltung unnötig: Auch anonyme Beschwerden möglich
Dagegen hatte das Berufungsgericht zuvor argumentiert: Wenn Beschwerende befürchten müssten, dass ihr Name bekannt würde, würde sich niemand mehr bei Missständen im Mietshaus an die Hausverwaltung wenden. Uninteressant - denn Missstände könnten, so der BGH - anders als bei Beschwerden gegenüber öffentlichen Stellen wie z. B. dem Ordnungsamt - auch anonym geäußert werden, um eine Hausverwaltung zum Handeln aufzufordern. Entsprechend sei eine Hausverwaltung auch nicht zwingend darauf angewiesen, die Identität von Tippgebern geheim zu halten, um ihre Aufgaben zu erfüllen.
Umfasst das Recht auf Selbstauskunft auch interne Vermerke?
Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO reicht sehr weit! Ein Verbraucher und Inhaber einer kapitalbildenden Lebensversicherung verlangte die vollständige Datenauskunft nach § 34 BDSG-alt, der Vorgängerregelung von Art. 15 DSGVO, in Kraft bis Mai 2018. Auch intern ausgetauschte Daten aus Korrespondenz inklusive E-Mails und internen Telefon- und Gesprächsnotizen sowie weitere interne Vermerke der Versicherung wollte der Vertragsnehmer einsehen. Der BGH urteilte hier zu einem datenschutzrechtlichen Novum: Auch interne Vermerke oder interne Kommunikation mit Informationen zum Betroffenen können Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sein, Vermerke zu telefonischen oder persönlichen Äußerungen, etwa zum Gesundheitszustand, ebenfalls. Kurz: Zu einer kompletten Auskunft gehören auch Vermerke, die personenbezogene Daten über Betroffene enthalten.
Auskunftsanspruch ist weitreichend, Sorgfalt geboten
Art. 15, 13 und 14 DSGVO zählen zum Kern der Betroffenenrechte. Denn erst durch das Instrument der Selbstauskunft erfahren Betroffene überhaupt, dass bestimmte Daten zu ihrer Person verarbeitet wurden. Nur so können diese überprüfen, ob dies rechtmäßig erfolgt ist. Insofern ist dieser Auskunftsanspruch essentiell, um das eigene Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchzusetzen. Wie sich zeigt, erstreckt sich der Anspruch auf Selbstauskunft gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO auf unterschiedlichste Informationen zur Datenverarbeitung. Und jeder, dessen personenbezogene Daten verarbeitet werden, kann diesen Auskunftsanspruch geltend machen. Beschäftigte gegenüber dem Arbeitgeber genauso wie Kunden einer Versicherung oder Mieter gegenüber Vermietern. Beide genannten Urteile stärken die Rechtsposition Betroffener - und zeigen: Verantwortliche müssen bei der Datenaufbereitung Know-how und Sorgfalt beweisen, um eine vollständige, rechtskonforme Beauskunftung zu leisten!