Artikel vom 07.03.2023
Identitätsmissbrauch: Wenn Fremde mit Ihren Daten zahlen
Schnell, bequem, bargeldlos: Bezahlen wird immer leichter gemacht - und sorgloser Umgang mit den eigenen Daten hart abgestraft. Weil dann Verbrecher damit bei Lidl & Co. einkaufen gehen. Kriminelle entwickeln verblüffend kreative Energien, wenn es darum geht, sich immer neue Betrugsmaschen auszudenken. Und sind die Daten einmal weg, ist Identitätsmissbrauch Tor und Tür geöffnet. Handeln Sie, bevor es zum Datenklau kommt.
Mit fremden Daten für Hunderttausende eingekauft
Gerade nutzten einige Münchner die Lidl-App, um sich mit gestohlenen Bank- und Personendaten Waren zu beschaffen und einen Vermögensschaden in sechstelliger Höhe zu verursachen. Die Geschädigten erfuhren erst davon, als sie Schreiben von Discounter und Inkassobüro im Briefkasten fanden. Die Betrüger ließen keinen Kanal aus, bestellten im Lidl-Onlineshop, aber kauften auch in den Filialen mit Gutscheinen ein. Besonders perfide: Die Lidl-Gutscheine lassen sich auch in Gutscheine von Fremdunternehmen tauschen. Nun ermittelt das Kriminalkommissariat 122 für Cyberkriminalität gegen sechs junge Erwachsene aus München in über 500 Fällen; die Polizei stellte Computer und Handys sicher. Die Vorwürfe sind so umfangreich wie schwerwiegend - und reichen von Computerbetrug über das Ausspähen von Informationen bis zum Fälschen von Daten.
Per TikTok lernen, wie man Payback-Punkte abzieht
Das Problem mit der Lidl-App ist keinesfalls neu. Schon 2021 gingen bei der Polizei München zahlreiche Betrugsanzeigen ein. App-Betrug ist nur eine von unzähligen Maschen. Für persönliche Daten werden Internet und Telefonbücher angezapft und danach illegal im Darknet gehandelt. Hackerangriffe greifen Unternehmensdaten ab, Taschendiebe klauen Ausweisdokumente - und Einbrecher bedienen sich an Bank- und Kreditkarten. Und ein Bielefelder rappt darüber, was es braucht, damit Schufa-Betrug von Erfolg gekrönt ist - und demonstriert in Tiktok-Videos, wie man sich illegal Paybackpunkte am Automaten beschafft und damit im Supermarkt einkauft. Sein Name: Patron61. Regelmäßig in den Schlagzeilen, brüstet sich der Rapper im Netz mit seinen Betrugsideen und teilt auf Social Media die Schreiben von Anwälten.
Gratis absahnen und Identitätsdiebstahl als Volkssport
Der Bielefelder gibt anderen Tipps, wie man belesh, sprich gratis, bei Zalando absahnen kann. Dazu spähte Patron61 auch die Daten bekannter Deutschrapper aus, um auf deren Namen online zu shoppen. Den geplanten Betrug an Rapgröße Bushido kündigte er öffentlich an. Schließlich hat man einen Ruf zu verteidigen: Nachdem die Abzocke des Rapper-Kollegen geglückt war, will ihm ein Label ein fünfstelliges Angebot gemacht haben. Dass der Patron aber dankend abgelehnt habe - sein Sponsor bleibe das Finanzamt Steuerbetrug GmbH. Danach nahm der Ostwestfale Engelsgesicht, einen provokanten Social-Media-Creator ins Visier, um ihn per Schufa-Betrug in die Schuldenfalle zu treiben. Die bestellten Waren? Sekundär. Viel entscheidender ist es in der Szene, dass die Opfer von Betrugsmaschen wissen, wem Sie den Berg an Inkassobriefen verdanken.
Was fällt alles unter personenbezogene Daten?
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) meint damit Informationen, die einer bestimmten Person zugeordnet werden können, wie
- Namen, Geburtsdatum, Anschrift
- E-Mail-Adressen
- Telefonnummern
- Bankdaten
- Online-Daten
- IP-Adressen
- Kreditinfos
Darüber hinaus sind auch Infos zu laufenden Inkasso- und Gerichtsverfahren relevant, weil sie direkten Einfluss auf Bonität und Schufa-Score nehmen - dem Wert, der schätzt, wie hoch des Risiko für einen Zahlungsausfall ist. Per kostenloser Selbstauskunft, Datenkopie genannt, können sich Verbraucher ein bis mehrmals jährlich darüber informieren, was über sie gespeichert ist. Zwischen Wirtschaftsauskunfteien wie der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) und Vertragspartnern gehen Daten zum Zahlungsverhalten von Verbrauchern hin und her, von der Kreditaufnahme bis zur Antragsstellung beim Energieversorger. Geht die Bonität in den Keller, verringert dies den wirtschaftlichen Handlungsspielraum schmerzlich: Kreditanträge werden abgelehnt, Kauf auf Rechung versagt.
Selbst schuld? Verbrechen lohnt sich
Bushido bemerkte erst spät, dass jemand in seinem Namen hunderte von Bestellungen, u. a. für teure Designer-Outfits, gemacht hatte. Der Chef des Rapper-Labels Ersguterjunge (EGJ) hatte seine Kontoauszüge zu lange nicht gecheckt. Als er es endlich tat, entdeckte er die zahlreichen Zalando-Posten. Sein Kontrahent, der Bielefelder Patron61, konnte sich bislang immer wieder herauswinden. Beklatscht von seinen Fans, die ihn als eine Art Robin Hood 4.0 feiern. Wie kam der Rapper an die Daten? Er verdankt sein Glück der Naivität seiner Opfer. Denn jeder Rapper, der etwas auf sich hält, hat auch eine Seite bei Wikipedia, mit Name und Geburtsdatum. Die Rapper hätten keinen Schufa-Schutz, so der Patron. Und beruft sich öffentlich auf Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz, nachdem Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind. Was anscheinend auch Online-Kurse in Identitätsdiebstahl rechtfertigt.
Wie Identitätsmissbrauch vorbeugen?
Es gilt, nicht nur mit der Veröffentlichung von Adresse und Geburtsdatum im Web sparsam zu sein: Umfragen zeigen, dass nur jeder Dritte seine Passwörter regelmäßig ändert und dabei sinnvollen Sicherheitsstandards folgt. Auch bei Internet-Zugängen ist mehr Schutz von Smartphones durch aktuelle Sicherheitssoftware in öffentlichen W-LAN-Netzen und Hotspots gefragt. Kostenlos, während der so genannte Identsafe-Monitor der Schufa kostenpflichtig ist. Das Tool durchforstet das Netz inklusive Deep Web und Darknet nach unberechtigt veröffentlichten persönlichen Daten wie Kontonummer oder Ausweisnummer. Wird der Monitor fündig, geht eine E-Mail oder SMS direkt an den Betroffenen. Eine Hotline berät zum nächsten Schritt und bietet Hilfe dabei, die Spuren von Identitätsmissbrauch im Netz zu löschen.
Der Identitätsbetrug ist schon passiert?
Melden Sie dies kostenlos der Schufa. Private Verbraucher, die Opfer von Identitätsbetrug geworden sind, schieben so weiterem Missbrauch persönlicher Daten einen gewissen Riegel vor. Dazu leitet die Schufa die Information an seine Vertragspartner weiter. Gehen nun z. B. neue Vertragsanträge ein, prüfen Unternehmen wie Online-Händler oder Telefonanbieter: Geht alles mit rechten Dingen zu? Und bremsen den Betrüger aus. Dazu füllen Sie ein Einwilligungsformular zur Einmeldung von Identitätsbetrug aus und fügen eine Ausweiskopie bei, die Sie Post, Fax oder E-Mail auf den Weg schicken (Ausweiskopien werden nach Identifikation durch die Schufa vernichtet). Vergessen Sie nicht, Ihrer Einmeldung den Nachweis anzuheften, dass Sie in der Sache Strafanzeige erstattet haben.
Nicht ignorieren, handeln!
Wer den Identitätsbetrug zur Anzeige bringt, wird offiziell als IDBO (Identitätsbetrugsopfer) geführt. Auch Sie erhalten Rechnungen für Dinge, die Sie nie bestellt haben? Stecken Sie den Kopf nicht in den Sand. Sondern kontaktieren Sie bei Identitätsbetrug umgehend den Händler - und legen Sie gegen Rechnungen und Mahnungen Widerspruch ein. Aktiv werden statt ignorieren, heißt die Devise - denn Daten-Sorglosigkeit ist Gift für Ihre Bonität!