Artikel vom 26.07.2024
Schufa vor Gericht: Schadensersatz, Score, Selbstauskunft - Anwalt nehmen?
Wen kennt die Schufa? Fast jeden, denn der Auskunftei-Riese verfügt über Millionen an Datensätzen. Da passieren schon mal Fehler im Umgang mit Verbraucherinformationen. So bringen sich regelmäßig nicht nur Datenschützer, sondern auch Rechtsanwälte in Stellung, die anscheinend das große Geld wittern. Zum Anwalt wegen Schufa-Selbstauskunft & Co. - worum geht es dabei?
Spahn-Datenleck: WBS unterliegt gegen Bonify
An vorderster Front präsentiert sich der Kölner IT-Jurist Christian Solmecke, Kanzlei WBS, über einer Million Followern regelmäßig auf YouTube. Was der Schufa nicht schmeckt, so dass Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei mit eigenen Anwälten dagegen hält. Dabei geht es zum Beispiel um ein App-Datenleck beim Schufa Dienstleister Bonify: Jemand hackte sich erfolgreich in die Mieter-Selbstauskunft von Minister Jens Spahn (CDU), so dass dessen Mietzahlung von 955,51 Euro bekannt wurde. Datenleck? Solche Behauptungen konnten Bonify und ihr Betreiber Forteil nicht auf sich sitzen lassen. Man verglich sich vor dem Landgericht Hamburg. Solmecke stimmte zu, einen Teil der Vorwürfe zurückzunehmen - und nur noch von einer Sicherheitslücke zu sprechen.
Mobilfunkanbieter: Verbraucherdaten unerlaubt weitergeschickt
2021 deckten NDR und Süddeutsche Zeitung auf: Fast alle deutschen Mobilfunkanbieter hatten ohne Zustimmung ihrer Kunden Vertragsdaten (Positivdaten) an die Schufa weitergereicht. Gegen die größten drei war die Verbraucherzentrale gerichtlich vorgegangen und konnte im April 2023 ein Urteil gegen Télefonica (o2) am LG München I erwirken (Az. 33 O 5976/22). Positivdaten? Dazu gehören z. B. die Zahl früherer und laufender Verträge, aber auch Daten der Begleichung von Rechnungen. Informationen, die kritisch sein können, weil Mobilfunkkunden, die Anbieter-Hopping betreiben, als wenig vertrauenswürdig gelten. Bewertungen, die auch in Auskunftei-Scores wie den Schufa-Score - die Einschätzung der jeweiligen Verbraucherbonität als Punktwert - einfließen. Schlechter Score? Heißt im Zweifelsfall kein Vertrag, ob Handy oder Mietwohnung.
Lieber Ombudsmann statt Anwalt?
Solmecke vertritt Verbraucher bei ihren Klagen gegen die Mobilfunkfirmen auf Schadensersatz, 5.000 Euro sind angestrebt. Außerdem verklagte der prominente Rechtsanwalt die Schufa wegen unzulässiger Speicherung der betreffenden Verbraucherdaten. Aber der Kölner musste eine Niederlage einstecken, die Schufa keinen Schadenersatz leisten. Dennoch scheint Solmeckes Strategie zu lauten: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht, hat dies schon. Und das Motto der Schufa: Ärger mit uns ist kein Fall für den Anwalt! Die Auskunftei selbst rät Verbrauchern, die mit ihrer Schufa Selbstauskunft nicht einverstanden sind, davon ab, direkt zum Anwalt zu gehen. Sondern wirbt für das firmeninterne kostenfreie Schlichtungsverfahren. Einen Versuch wert, wo es um die vorzeitige Löschung negativer Einträge, um irrtümliche Meldungen oder fehlende bzw. nicht fristgemäß gelöschte Merkmale geht. Wer falsche Daten in seiner Schufa Selbstauskunft findet, kann sich an den Schufa Verbraucherservice wenden. Die erste Anlaufstelle verspricht Klärung binnen 24 Stunden. Erst wenn dies nicht gelingt, darf das Ombudsmann-Verfahren angestrebt werden - schriftlich (auch per E-Mail).
Wann an den Schufa Ombudsmann wenden?
Seit 2014 vermittelt Verfassungsjurist Professor Dr. Hans-Jürgen Papier außergerichtlich als unabhängiger Ombudsmann bei strittigen Fragen zwischen Verbraucher, Schufa und deren Vertragspartnern. Wenngleich das Ombudsmann-Votum für die Schufa nur bis zu einem Betrag von 2.500 Euro bindend ist. Durchaus sinnvoll bei einfachen Fragen, die die Schufa selbst betreffen. So kann der Ombudsmann z. B. eine Überprüfung einer beanstandeten Meldung beim Vertragspartner veranlassen. Schadensersatz wie etwa gegenüber Vodafone und anderen Telefonanbietern ist hier nicht zu holen. Schufa Daten für 2018 besagen: Von den 884 Verbrauchern, die sich an den Ombudsmann gewandt hatten, waren 526 Fälle nicht zulässig. Von den 358 zulässigen Eingaben entschied man in 36 Fällen zugunsten der Verbraucher.
5.000 Euro Schadensersatz zugesprochen
Im Fall der durch Telefonanbieter rechtwidrig übermittelten Schufa-Vertragsdaten konnte Christian Siemecke zu Jahresanfang einen Erfolg verbuchen. Insgesamt geht es um Millionen an Telefonverträgen. Tausende von Schufa Selbstauskünften haben die Kanzleien WBS und Legalbird bislang ausgewertet - und ca. 1.000 Klagen laufen. Vodafone musste einem Mandanten schon 5.000 Euro immateriellen Schadensersatz gem. Artikel 82 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zahlen (Az. 3 O 17/24) - und darüber hinaus alle zukünftigen Schäden ersetzen, so das Versäumnisurteil. Gut, wenn dem Gegner Versäumnisse passieren: Ein Versäumnisurteil ergeht, wenn die Gegenseite geladen ist, aber nicht erscheint. Im aktuellen Fall wurde das Versäumnisurteil bereits im Vorverfahren vor der mündlichen Verhandlung gefällt. Der Beklagte - das Mobilfunkunternehmen - hatte nicht fristgerecht bekundet, sich gegen die Klage zu verteidigen.
Mobilfunkanbieter im Tiefschlaf?
Wie kommt das Gericht dann zu einem Urteil? Erstens wird geprüft, ob eine Klage rechtlich schlüssig und die Fakten korrekt sind. Wenn ja, müssen die Argumente überzeugend sein. Sind die Tatsachen unstrittig, geht es nur noch darum, ob ein Schadensersatz in der geforderten Höhe vertretbar ist. Betroffene kommen zügig an ihr Geld: Lässt das Mobilfunkunternehmen seine zwei Wochen Einspruchszeit verstreichen, kann aus dem Urteil direkt vollstreckt werden. Hoffnung auch für andere Betroffene! Denn Mobilfunkanbieter geben sich schwerfällig. Längst hatte das Landgericht (LG) München I geurteilt, dass Mobilfunknutzer in die Übermittlung ihrer Daten einwilligen müssen. Trotzdem wird dies durch einige Mobilfunkanbieter weiter ignoriert. Solmeckes Kanzlei hat Datenschutzbestimmungen und AGB der gängigen Mobilfunkbetreiber gecheckt: Statt ihre Weitergabepraxis anzupassen, geht man anscheinend lieber den Weg durch die Instanzen, so der Rechtsanwalt.
Steht auch Ihnen Geld zu?
Bis dato haben sich schon über 100.000 Betroffene allein bei Christian Solmecke gemeldet. Mit voraussichtlich teuren Folgen für Vodafone, Telefónica (o2) oder Telekom. Weshalb Kunden prüfen sollten: Bin ich ebenfalls betroffen, steht auch mir Geld zu? Um ggf. mit anwaltlicher Hilfe Schadensersatz für sich einzufordern. Die Höhe von 5.000 Euro orientiert sich übrigens an Urteilen, die die Gerichte schon im Kontext illegaler Schufa-Einträge gefällt haben. Und geht es um die Weitergabe sehr persönlicher Daten, können sogar 15.000 Euro drin sein.